Bildung und Wahrheit

Ehre den Erzieher und Lehrer Deiner Kinder! (Knigge)

Keine Wohlthat ist größer, als die des Unterrichts und der Bildung. 

Wer jemals etwas dazu beigetragen hat, uns zu weiseren, besseren und glücklicheren Menschen zu machen, der müsse unseres wärmsten Dankes lebenslang gewiß sein können! Hat er dabei nicht Alles geleistet, was wir jetzt, bei reiferen Jahren, bei weiteren Fortschritten in der Cultur, von einem Lehrer und Hofmeister fordern würden: so sollen wir doch nicht unerkenntlich gegen das Wenige sein, was wir von ihm empfangen haben. 

Überhaupt verdienen ja Diejenigen wohl mit vorzüglicher Achtung behandelt zu werden, die sich redlich dem so wichtigen Erziehungsgeschäfte widmen. Es ist wahrlich eine höchst schwere Arbeit, Menschen zu bilden: eine Arbeit, die sich nie mit Gelde bezahlen läßt. Der geringste Dorfschullehrer, wenn er seine Pflichten treulich erfüllt, ist eine der nützlichsten Personen im Staate, und da sein Gehalt gewöhnlich sparsam genug abgemessen ist, was kann da billiger sein, als daß man diesem Mann wenigstens durch eine Ehrenbezeigung das Leben süß und das Joch erträglich zu machen sucht? Schämen sollten sich die Menschen, die den Erzieher ihrer Kinder wie eine Art Dienstboten behandeln! Möchten sie nur bedenken (wenn sie auch nicht fühlen können, wie unedel dies Betragen an sich schon ist), welchen nachtheiligen Einfluß es auf die Bildung der Jugend ausübt! 

A. Knigge, Umgang mit Menschen, Berlin, 1874

 

Last updated 347 a.D. (Platons Höhlengleichnis)

Bringe dir nämlich in den Blick dieses: Menschen halten sich unter der Erde in einer höhlenartigen Behausung auf. Nach oben gegen das Tageslicht eignet dieser der langhin sich erstreckende Eingang, auf den zu das ganze Gehöhle sich versammelt. In dieser Behausung haben die Menschen, gefesselt an den Schenkeln und den Nacken, von Kindheit her ihren Verbleib. Deshalb verharren sie auch an derselben Stelle, so daß ihnen nur dies Eine bleibt, auf das hinzusehen, was ihnen von vorne ins Angesicht begegnet. Ringsherum jedoch die Köpfe zu führen, sind sie, weil gefesselt, außerstande. Ein Lichtschein freilich ist ihnen gewährt, von einem Feuer nämlich, das ihnen, allerdings von rückwärts, oben und fernher, glüht. Zwischen dem Feuer und den Gefesselten (in deren Rücken also) läuft obenhin ein Weg; dem längs, so stelle dir das vor, ist eine niedere Mauer gebaut gleich den Schranken, die sich die Gaukler vor den Leuten aufrichten, um über sie weg die Schaustücke zu zeigen.

- Ich sehe, sagte er. -

Fasse nun demgemäß in den Blick, wie entlang diesem Mäuerchen Menschen allerlei Zeug vorbeitragen, das hierbei über das Mäuerchen hinwegragt, Standbilder sowohl als auch andere steinerne und hölzerne Bildwerke und sonst mannigfach von Menschen Gefertigtes. Wie nicht anders zu erwarten, unterhalten sich (dabei) die einen der Vorübertragenden, die anderen schweigen.

- Ein außergewöhnliches Bild führst du da vor, sagte er, und außergewöhnliche Gefangene. -

Sie gleichen aber ganz uns Menschen, erwiderte ich. Denn was glaubst du wohl? Solcherart Menschen haben doch im vornhinein, sei es von sich selbst, sei es von einander, nie etwas anderes in den Blick bekommen als die Schatten, die (ständig) der Feuerschein auf die ihnen gegenüberstehende Wand der Höhle wirft.

- Wie anders denn soll es sein, sagte er, wenn sie gezwungen sind, den Kopf unbeweglich zu halten und das zeit ihres Lebens? -

Was jedoch sehen sie von den (in ihrem Rücken) vorbeigetragenen Dingen? Sehen sie nicht eben dieses (nämlich die Schatten)?

- In der Tat. -

Wenn sie nun imstande wären, miteinander das Erblickte an- und durchzusprechen, glaubst du nicht, sie würden das, was sie da sehen, für das Seiende halten? - Dazu wären sie genötigt. -

Wie aber nun, wenn dies Gefängnis auch noch von der ihnen gegenüberstehenden Wand her (auf die allein sie ständig hinblicken) einen Widerhall hätte? Sooft dann einer von denen, die hinter den Gefesselten vorbeigehen (und die Dinge vorbeitragen), sich verlauten ließe, glaubst du wohl, daß sie etwas anderes für das Sprechende hielten als den vor ihnen vorbeiziehenden Schatten?

- Nichts anderes, beim Zeus! sagte er. -

Ganz und gar, entgegnete ich, würden dann auch die also Gefesselten nichts anderes als die Schatten der Gerätschaften für das Unverborgene halten.

- Dies wäre durchaus nötig, sagte er. -

Verfolge demnach jetzt, erwiderte ich, mit deinem Blick den Vorgang, wie die Gefangenen von den Fesseln gelöst und in eins damit geheilt werden von der Einsichtslosigkeit, und bedenke dabei, welcher Art dann diese Einsichtslosigkeit sein müßte, wenn den Gefesselten folgendes zustieße. Sooft einer entfesselt und gezwungen würde, plötzlich aufzustehen, den Hals umzuwenden, sich auf den Weg zu machen und gegen das Licht zu hinaufzublicken, (dann) vermöchte er (jedesmal) dies alles nur unter Schmerzen, auch wäre er nicht imstande, durch das Geflimmer hindurch auf jene Dinge hinzusehen, davon er vormals die Schatten sah. (Wenn all das mit ihm geschähe), was, glaubst du wohl, würde er sagen, wenn einer ihm eröffnete, daß er vormals (nur) Nichtigkeiten gesehen habe, jetzt aber dem Seienden um mehreres näher sei und, also dem Seienderen zugewendet, demzufolge auch richtiger blicken? Und wenn einer ihm (dann) auch noch jedes der vorbeiziehenden Dinge zeigte und ihn zwänge, auf die Frage, was es sei, zu antworten, glaubst du nicht, daß er da weder ein noch aus wüßte und überdies dafür hielte, das vormals (mit eigenen Augen) Gesehene sei unverborgener als das jetzt (von einem anderen ihm) Gezeigte?

- Durchaus freilich, sagte er. -

Und wenn ihn gar einer nötigte, in den Feuerschein hineinzusehen, würden ihm dann nicht die Augen schmerzen, und möchte er sich da nicht abwenden und zu jenem (zurück) flüchten, was anzusehen in seinen Kräften steht und sich dafür entscheiden, das (ihm ohne weiteres Sichtbare) sei in der Tat klarer als das, was ihm jetzt gezeigt werde?

- So ist, es, sagte er. -

Wenn aber nun, erwiderte ich, einer ihn (den von den Fesseln Gelösten) von da weg, mit Gewalt durch den holperigen und steilen Aufgang der Höhle hindurchzöge und nicht von ihm abließe, bis er ihn an das Licht der Sonne hinausgezogen hätte, empfände der also Gezogene dabei nicht Schmerz und Empörung? Und bekäme er, ins Sonnenlicht gelangt, nicht die Augen voll des Glanzes, und wäre er so nicht außerstande, auch nur etwas von dem zu sehen, was ihm jetzt als das Unverborgene eröffnet wird?

- Keineswegs wäre er dazu imstande, sagte er, wenigstens nicht plötzlich. -

Einer Gewöhnung offenbar, glaube ich, bedürfte es, wenn es darauf ankommen soll, das, was oben (außerhalb der Höhle im Licht der Sonne) steht, ins Auge zu fassen. Und (bei solcher Eingewöhnung) würde er zunächst am leichtesten auf die Schatten hinsehen können und hernach auf den im Wasser widerspiegelnden Anblick der Menschen und der übrigen Dinge, später aber würde er dann diese selbst (das Seiende statt der abschwächenden Spiegelungen) in den Blick nehmen. Aus dem Umkreis dieser Dinge aber dürfte er wohl das, was am Himmelsgewölbe ist, und dieses selbst, und zwar bei Nacht leichter beschauen, indem er hinblickt auf das Licht der Sterne und des Mondes, (leichter nämlich) als bei Tag die Sonne und ihren Schein. - Gewiß! -

Am Ende aber, glaube ich, dürfte er in den Stand kommen, auf die Sonne selbst zu blicken, nicht nur auf ihren Widerschein im Wasser und wo er sonst auftauchen mag, auf die Sonne selbst, wie sie von ihr selbst her an dem ihr eigenen Ort ist, um sie zu betrachten, wie beschaffen sie sei.

- Notwendig dürfte es so kommen, sagte er. -

Und nachdem er all dieses hinter sich gebracht hat, dürfte er auch bereits über sie (die Sonne) dieses zusammenbringen können, daß nämlich sie es ist, die sonst sowohl Jahreszeiten gewährt als auch Jahre und alles durchwaltet, was ist in dem (jetzt) gesichteten Bezirk (des Sonnenlichtes), ja daß sie (die Sonne) sogar auch von jenem Allen die Ursache ist, was jene (die unten in der Höhle sich aufhalten) in einer gewissen Weise vor sich haben.

- Offenbar, sagte er, würde er zu diesem (zur Sonne und zu dem, was in ihrem Licht steht) gelangen, nachdem er über jenes (was nur Widerschein und Schatten ist) hinausgegangen. -

Was nun? Wenn er sich wieder der ersten. Behausung erinnerte und des dort maßgebenden »Wissens« und der damals mit ihm Gefesselten, glaubst du nicht, er würde sich selbst zwar glücklich preisen ob des (geschehenen) Umschlags, jene dagegen bedauern? - Gar sehr -

Wenn nun aber (unter den Menschen) am vormaligen Aufenthaltsort (in der Höhle nämlich) gewisse Ehrungen und Lobsprüche festgesetzt wären für den, der am schärfsten das Vorübergehende (was sich alltäglich zuträgt) ins Auge faßt und dazu am meisten das im Gedächtnis behält, was davon zuerst, was nachher und was gleichzeitig vorbeigebracht zu werden pflegt, und der (dann) hieraus das vorher zu sagen vermöchte, was am ehesten künftig eintreten könnte, glaubst du, ihn (den aus der Höhle Hinausgegangenen) würde es (jetzt noch) nach jenen (in der Höhle) verlangen, um mit denen (dort) zu wetteifern, die bei jenen in Ansehen und Macht stehen, oder wird er nicht gar sehr das auf sich nehmen wollen, wovon Homer sagt: »einem fremden unbegüterten Manne um Lohn zu dienen«, und wird er nicht überhaupt was immer sonst eher ertragen wollen, als in jenen (für die Höhle gültigen) Ansichten sich herumzutreiben und auf jene Weise ein Mensch zu sein?

- Ich glaube, sagte er, alles würde er eher über sich ergehen lassen, als auf jene (höhlenmäßige) Weise ein Mensch zu sein. -

Und nun also bedenke dieses, erwiderte ich: Wenn der solcherart aus der Höhle Herausgekommene wiederum hinabstiege und an denselben Platz sich niedersetzte, füllten sich ihm da nicht, wo er plötzlich aus der Sonne kommt, die Augen mit Finsternissen? - Gar sehr allerdings, sagte er. -

Wenn er nun wieder mit den ständig dort Gefesselten sich abgeben müßte im Aufstellen und Behaupten von Ansichten über die Schatten, während ihm noch die Augen blöd sind, bevor er sie wieder angepaßt hat, was nicht geringe Zeit der Eingewöhnung verlangte, würde er dann dort unten nicht der Lächerlichkeit preisgegeben sein, und würde man ihm nicht zu verstehen geben, daß er ja nur hinaufgestiegen sei, um mit verdorbenen Augen (in die Höhle) zurückzukehren, daß es also auch ganz und gar nicht lohne, sich auf den Weg nach oben zu machen? Und werden sie denjenigen, der Hand anlegte, sie von den Fesseln zu lösen und hinaufzuführen, wenn sie seiner habhaft werden und ihn töten könnten, nicht wirklich töten?

- Sicherlich wohl, sagte er. -

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