Quantenmechanische Zustände im Phasenraum

(Kleines 1 x 1)

In der klassischen Physik lässt sich der Zustand eines Systems immer eindeutig angeben (prinzipiell jedenfalls), also graphisch oder geometrisch immer durch einen Punkt darstellen - egal in welchem Raum.
In der Quantenmechanik muss diese "exakte Beschreibung" durch "unscharfe Zustände" ersetzt werden, weil das Produkt der Unschärfen kanonisch konjugierter Variablen (z.B. Ort und Impuls) nicht Null werden kann. Aus Kurven im Phasenraum werden also Verteilungen im Phasenraum.

Warum überhaupt Phasenraum? Schon seit Hamilton weiß man, dass sich die "eigentliche Physik" nicht im Orts- oder Impulsraum alleine abspielt, sondern dass hinter der für uns sichtbaren Bühne Zustände (= Phasen) das Geschehen bestimmen und sich somit das System viel kompakter mit einem "Phasenportrait" beschreiben lässt: Anstatt eine Sinuskurve (als Funktion der Zeit) für den Ort und eine Cosinuskurve für den Impuls zu zeichnen, eliminiert man die Zeit und stellt den Impuls als Funktion des Orts dar und erhält einen Kreis als Darstellung für eine harmonische Schwingung - eine runde Sache also!

Was wird aus diesem Kreis in der Quantenmechanik?

Wir sollten uns zunächst fragen, was aus einem Punkt im klassischen Phasenraum wird, wenn man den Zustand quantenmechanisch beschreibt:

Kleines 1 x 1 des quantenmechanischen Phasenraums

Im den folgenden Darstellungen stehen die Variablen X und Y für kanonisch konjugierte Variablen oder "Quadraturkomponenten" (grob gesprochen). Die Variable W (Hochachse in 3D-Darstellungen) steht für Wahrscheinlichkeit (oder Wigner). Die bequemste Methode, von der klassischen Beschreibung (Punkt im Phasenraum) zur quantenmechanischen Beschreibung überzugehen, besteht darin, "den Punkt durch eine Gaußverteilung zu ersetzen", wobei die Gaußverteilung nicht rotationssymmetrisch sein muss:

Gequetschte Zustände (squeezed states):

 


In der X-Y-Ebene erhält man nicht einen Punkt sondern eine "Zigarre": Der Zustand des Systems kann nicht beliebig genau angegeben werden. Die Animation zeigt Zigarren (Ellipsen) mit verschiedenen Halbachsen (parallel zu den Koordinatenachsen).

In der dreidimensionalen Darstellung kann - anschaulich gesprochen - W (Hochachse) als Wahrscheinlichkeit interpretiert werden, das System im Zustand X-Y anzutreffen.


In obigen Darstellungen liegt das Zentrum der Verteilungen bei (0 | 0). Klassisch gesehen ruht also "ein Punkt" im Ursprung. Quantenmechanisch gesehen ist das aber nicht möglich. Man kann die Genauigkeit einer Observablen (z.B. X) nur auf Kosten der anderen (z.B. Y) steigern. Wenn man den Zustand in eine Richtung quetscht, streckt er sich in die andere. Diese Regel (Heisenbergs Unschärferelation) ist so fundamental, dass sie sogar für das Vakuum (0 | 0) gilt!

Das Zentrum der Verteilung muss aber nicht im Ursprung liegen und die Halbachsen können gegen die Koordinatenachsen (des Phasenraums) gedreht sein.

Gedrehte Zustände (rotated states):

Gedrehte Zustände (rotated states) 2D

... und 3D

Obige Animationen zeigen nicht (unbedingt) die zeitliche Entwicklung eines Zustands, sondern zunächst nur die Variation der Parameter Quetschung und Drehung.

Wie entwickelt sich ein Zustand (mit konstanter Quetschung und Drehung) im Laufe der Zeit?

Wir nehmen das Standardbeispiel des harmonischen Oszillators (Kreis im klassischen Phasenraum):


Die Zigarre rotiert mit ihrem Mittelpunkt um den Ursprung.

Auch in 3D :-)

Wie sind diese Darstellungen zu lesen? Anscheinend gibt es im Vergleich zum klassischen Phasenraum viele Kreise und selbst wenn sich das System "auf einem Kreis befinden würde", wüsste man nicht genau wo.

Vielleicht hilft eine Rückübersetzung in den klassischen Koordinatenraum?

Das geht mit Randverteilungen:
Wenn man sich nur für eine der kanonisch konjugierten Variablen interessiert (oder nur eine messen kann, s.o. "Heisenberg" :-), muss man über die Verteilung der anderen summieren/integrieren. Damit erhält man eine "Randverteilung" (rote Kurven). Im Falle des harmonischen Oszillators sind das Gaußkurven, die mit variabler Breite und Höhe harmonisch um ihre Ruhelage schwingen.

Den "Grenzfall der klassischen Physik" erhält man mit einer "Gaußverteilung der Breite 0" (Delta-Funktion).


Die Randverteilungen kann man über der Zeit (oder dem Winkel Φ) abtragen. Mit einer "klassischen Kreisfunktion" würde sich eine "Sinus-Kurve" ergeben. Nun hat man es aber wegen der Unschärfe mit unendlich vielen "Sinuskurven" zu tun, die je nach Zustand unterschiedlich dicht liegen:

In der Draufsicht (links) ergibt sich also statt einer einzigen Kurve ein "Sinus-Band", dessen Breite variiert. In der 3D-Darstellung (rechts) wird die "Dichte der Kurven" (Hochachse) besser sichtbar. Im dargestellten Beispiel ist die Unschärfe der Amplitude größer als die Unschärfe der Phase, es ist also die Phase des Zustands gequetscht: man weiß ziemlich genau, wann der "Oszillator die Ruhelage passiert", dafür weiß man aber nicht genau wie weit er schwingt. Das gleiche Problem hat man übrigens auch, wenn man das Feld einer klassischen elektromagnetischen Welle quantenmechanisch beschreiben will.

Siehe auch:

Moderne Physik mit Maple

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