Licht im Medium
frei nach R.P. Feynman, The Origin of the
Refractive Index
"Warum bewegt sich Licht im Medium langsamer als
im Vakuum?"
Man liest bisweilen die Erklärung, dass die Photonen in den
Atomen des Mediums kurz anhalten ("Absorption und Reemission") und so das
Licht gebremst wird, also seine Phasengeschwindigkeit kleiner wird. Manche Wiki-Physiker berufen sich mit dieser Erklärung auf
die Feynman-Lectures (Vol. I, 31), obwohl dort das genaue Gegenteil steht:
Feynman verwendet das klassische Modell. Das Medium besteht
aus (gedämpften) Oszillatoren, die von der primären Lichtwelle zu Schwingungen
angeregt werden. Außerhalb der Resonanzfrequenz der Oszillatoren (Atome mit
Dipolmoment) findet keine Absorption statt und die Oszillatoren werden zu einer
Schwingung gezwungen, die unterhalb ihrer Resonanzfrequenz in Phase mit der
primären Lichtwelle ist, wobei sich die primäre Lichtwelle auch im Medium mit
Vakuumlichtgeschwindigkeit bewegt. Soweit nichts Neues, das ist die klassische
Berechnung des Brechungsindex. Aber nun kommt Feynmans "Trick":
Frei nach Huygens (oder Feynmans Pfadintegralen?) muss die
(komplexe) Amplitude der Welle in jedem Raumpunkt die Summe der Amplituden aller
Elementarwellen, die diesen Punkt erreichen, sein. Also berechnet Feynman die
Amplitude der elektrischen Feldstärke, die von einer dünnen (ebenen) Schicht von
Oszillatoren in einem Punkt hinter dieser Schicht erzeugt wird (Vol. I, 30-7). Und - man
staune! - die von einer Schicht resultierende gestreute Welle hinkt der Primärwelle um 90° hinterher.
Es handelt sich also nicht um die Phasenverschiebung, die bei der
Anregung eines Oszillators in Resonanz entsteht, und somit nicht um
Absorption. Addiert
man die Amplitude der gestreuten Welle zur Amplitude der Primärwelle, so ergibt
sich für die hinter der dünnen Schicht resultierende Welle die erwartete
Verzögerung.
Feynmans
Phasenschieber
Stellt man die
komplexe
Amplitude der
primären Welle
als schwarzen
Pfeil (in der
komplexen Ebene)
dar, so wird
ihre Phase nach
jeder dünnen
Schicht
verzögert
(kleine rote
Pfeile). Das
Ergebnis ist der
blaue Pfeil - im
Folgenden "die
resultierende
Welle". (Siehe
Feynman Lectures
Vol. I, Fig.
31-3.)
Für das Weitere
noch eine
Anmerkung:
"Streuung" heißt
in diesem
Zusammenhang
immer
kohärente
Streuung,
genauer gesagt
kohärente
Vorwärtsstreuung. Der
rote Pfeil, der
vom schwarzen
Pfeil zum blauen
Pfeil zeigt, ist
also die Summe
aller
(komplexer)
Amplituden der
Sekundärwellen
mit fester
Phasenbeziehung
zur Primärwelle.
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Also wie funktioniert das nun? Es gibt zwei Arten der Modellierung:
1. Iteration: Die Phasenverschiebung der gestreuten Wellen
wird multiplikativ (Faktor exp(i*phi)) berücksichtigt, also eine UND-Verknüpfung
der Pfade.
2. Huygens pur: Alle Elementarwellen werden aufsummiert, also
eine ODER-Verknüpfung der Pfade.
1. Iteration
Feynmans Näherung gilt für eine dünne Schicht. Aber man kann natürlich das
Verfahren wiederholen und mehrere dünne Schichten hinter einander
setzen. Die nebenstehende Animation zeigt das Ergebnis, wenn man in der
Berechnung die Zeit festhält und die Dicke des Mediums (grau) anwachsen
lässt: Hinter dem Medium (rechts) läuft die Welle nicht rückwärts,
sondern wird immer stärker verzögert. Das gilt natürlich auch im Medium,
wo deshalb die Wellenlänge kürzer ist.
Die kürzere Wellenlänge im Medium ist aber nicht auf eine kleinere
Phasengeschwindigkeit zurückzuführen, sondern auf eine
Phasenverschiebung durch die gestreute Welle. Die
Phasengeschwindigkeit einer elektromagnetischen Welle, die von
einer einzelnen oszillierenden Ladung ausgeht, hat überall den Wert der
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Erst durch die Überlagerung mit anderen
Wellen kann es zu einer scheinbaren Verlangsamung der
Phasengeschwindigkeit kommen. Aber es ist natürlich zweckmäßig, mit
dieser scheinbaren Phasengeschwindigkeit (verkürzte Wellenlänge
durch unveränderte Frequenz) zu rechnen.
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Das Experiment, in dem die Dicke des Mediums zu einem festen Zeitpunkt
variiert wird, muss erst noch erfunden werden. Wir berechnen also nach
obiger Methode den Durchgang einer Lichtwelle durch ein Medium:
In der nebenstehenden Animation wurden 100 dünne Schichten mit dem
Brechungsindex 2 zu einem Medium (grau) mit der Dicke 2 zusammengesetzt.
Die resultierende Welle wurde von Schicht zu Schicht iterativ berechnet.
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Beim ersten Lesen denkt man bei Feynmans Ausführungen an Hokuspokus, weil in
die Berechnung das hineingesteckt wird, was herauskommen soll: Eine
Phasenverschiebung der Welle hinter dem Medium, die zunächst als Produkt zweier
komplexer Zahlen dargestellt wird (wie in den obigen Darstellungen). Aber
Feynman geht der Sache auf den Grund. Die Physik muss in der Überlagerung von
Wellen, also der Summe komplexer Zahlen zu finden sein - frei nach Huygens. Die
folgenden Animationen sind nach diesem Prinzip berechnet (im Gegensatz zu
Feynmans Lectures nicht in Näherung erster Ordnung, sondern exakt).
Man wird sehen: Der iterative Ansatz ist eher phänomenologisch.
Die echte Physik steckt in Huygens' Prinzip.
2. Huygens
Eine ebene Welle (im Bild nicht
dargestellt) trifft in z-Richtung auf ein Medium und erzeugt dort an den
"Streuzentren" sekundäre Elementarwellen (rot).
Alle Elementarwellen bewegen sich mit Vakuumlichtgeschwindigkeit - auch im
Medium. Nur ihre Phase hängt vom Medium ab. Rechts ist eine solche
Elementarwelle dargestellt (mit überhöhter Amplitude), die ihr Zentrum in
der Mitte des Mediums hat und sich von dort in positive und negative
z-Richtung ausbreitet. (Natürlich gehen von Elementarzentren Kugelwellen
aus, aber die Darstellung einer 'eindimensionalen Welle' ist etwas
übersichtlicher :-)
Siehe auch
Form aus
Kohärenz
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Unterteilt man das Medium in 100
Schichten, so bekommt man 100 Elementarwellen, die rechts der
eingezeichneten Hilfsgeraden nach rechts und links der Hilfsgeraden nach
links laufen. In der nebenstehenden Momentaufnahme sind die Wellen gestapelt
dargestellt. Tatsächlich interferieren alle Wellen (längs der z-Achse).
Entscheidend für das Resultat ist ihre Phasenbeziehung:
In einem homogenen Medium (wie hier vorausgesetzt, oder im Vakuum)
interferieren die Elementarwellen nur in Vorwärtsrichtung konstruktiv,
löschen sich also in alle anderen Richtungen aus: "kohärente
Vorwärtsstreuung".
Ist das Medium nicht homogen (ändert sich der Brechungsindex in Abständen,
die nicht wesentlich größer sind als die Wellenlänge), tritt Streuung mit
Richtungsänderung auf (also die "normale Streuung"), weil die Kohärenz
verloren geht.
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Für die folgenden Darstellungen gilt: Die
Primärwelle
ist schwarz dargestellt. Die gestreute
Welle rot und die resultierende
(primär + gestreut) blau. Alle Wellen werden komplex
berechnet, die Darstellungen zeigen den Realteil.
Wir
beginnen mit einem kleinen Brechungsindex n =
1.05: Wie zu erwarten baut sich eine gestreute
Welle im Medium auf und ein kleiner Teil wird
reflektiert. Die Überlagerung der gestreuten
Welle mit der Primärwelle ergibt hinter dem
Medium (rechts) eine verzögerte resultierende
Welle.
Man vergleiche "
Form
aus Kohärenz"!
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Bei einer
Brechzahl von n = 1.5 und der Dicke des Mediums d = 3 wird
wesentlich mehr reflektiert und es bildet sich
links vom Medium eine "stehende Welle mit
Schwebung". Im Medium ergibt sich aber nicht das
Bild, das man mit dem iterativen Ansatz von oben
bekommt, was diesen Ansatz als phänomenologisch
enttarnt: Die landläufige Vorstellung der
Sinuswelle mit verkürzter Wellenlänge im Medium
trifft eben nicht zu, zumindest nicht, wenn das
Medium nur drei Wellenlängen dick ist. Aber
hinter dem Medium (rechts) stimmt jedenfalls die
Verzögerung der resultierenden Welle gegenüber
der Primärwelle!
Aber was ist mit den Amplituden der gestreuten
Welle im Medium und hinter dem Medium? Sie ist
größer als die Amplitude der Primärwelle! Kein
Grund zur Beunruhigung:
1. Die Animation zeigt den Realteil der Wellen
(siehe auch unten Methode).
2. Das Modell der erzwungenen (ungedämpften)
Schwingung geht davon aus, dass der Resonator
dem Erreger (Primärwelle) keine Energie
entzieht. (Siehe auch R.P.F. Gl. 31.2.)
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Hier ist
noch ein interessanter Spezialfall, bzw. ein
Test für die Gültigkeit des Modells:
Brechzahl n = 2, Dicke des Mediums d = 3.005.
Was ist daran speziell? Im Medium gibt es bei
passender Wahl der Parameter eine stehende
Welle. Die Dicke des Mediums wurde absichtlich
nicht ganz passend gewählt (3.005 statt 3), um
zu veranschaulichen, dass in diesem Fall (nicht
exakte Abstimmung) ein Teil der gestreuten Welle
aus dem Medium entkommt (vorwärts und
rückwärts). Diesen Effekt verwendet man z.B. bei der
Entspiegelung von Linsen.
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Neben der
kohärenten Streuung gibt es in realen Medien immer
auch Absorption, wenn die Frequenz der
Primärwelle nahe bei der Frequenz einer
Absorptionslinie der Atome des Mediums liegt.
Man kann diese Absorption durch den
Koeffizienten k im komplexen Brechungsindex
n' = n*(1 - i* k) berücksichtigen. Nebenstehende
Animation wurde für
d = 4.5, n = 3 und k = 0.005 berechnet und zeigt
das erwartete exponentielle Abklingen der
gestreuten und resultierenden Welle (die
Primärwelle ist hier nur als Referenz ohne
Abschwächung dargestellt). Es findet keine
Reemission statt (die auch nicht kohärent sein
könnte), sondern die Transparenz des Mediums
wird kleiner (bis zur Undurchsichtigkeit).
Darüber hinaus kann die primäre Welle durch
inkohärente Streuung (z.B.
Rayleigh-Streuung) geschwächt werden. Beide
Prozesse (Absorption und inkohärente Streuung)
können aber nur die Intensität und
nicht die Phase verändern.
Siehe auch:
Brechungsindex und Lichtstreuung
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Phasengeschwindigkeit und Gruppengeschwindigkeit
Eine unendlich ausgedehnte Welle kommt nur in theoretischen
Ansätzen vor. Was wird
aus Feynmans Ansatz, wenn man ein Wellenpaket verwendet?
Für die Brechzahl n = 2
(in dieser Näherung frequenzunabhängig) und
die Dicke des Mediums d = 4.5 sieht das etwa so aus:
Aus der Primärwelle (schwarz, Einhüllende braun)
wird "eine resultierende Welle" (blau). Hinter
dem Medium ist die Primärwelle mit der
Einhüllenden des transmittierten Pakets (braun)
als Referenz dargestellt (Phasenverschiebung zur
transmittierten Welle 180° bei den gewählten
Parametern). Die rote Einhüllende zeigt die
Bewegung des Pakets im Vakuum zum Vergleich.
Die resultierende Welle spaltet sich in der
verwendeten Näherung in drei Teile auf:
Durchgehendes Paket, vorne und hinten
reflektiertes Paket (Mehrfachreflexionen wurden
also nicht berücksichtigt).
Anmerkung: die
Näherung "frequenzunabhängige Brechzahl" gilt
nur für schwach dispersive Medien. Im
allgemeinen Fall muss man die
Dispersion berücksichtigen.
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Also so falsch kann Feynmans Ansatz (und Huygens' Prinzip)
nicht sein!
1. Die Reflexion des Pakets an der vorderen und an der hinteren
Grenzschicht ergibt sich "quasi von selbst".
2. Das Paket hat im Medium
eine kleinere Gruppengeschwindigkeit.
Neuerdings macht man ähnliche Experimente
sogar mit einzelnen
Photonen! Allerdings
sind dort die Schichten etwas trickreicher angeordnet, so dass das Photon sogar
"superluminal tunnelt".
Nun werden Sie fragen: "Wie kann ein Photon nach mehrfacher
Aufspaltung am Stück absorbiert werden?" Fragen Sie mich etwas Leichteres! Aber
sobald ich es weiß gibt es natürlich eine Animation zu diesem
Quantensprung!
Die obigen Ausführungen bedeuten nicht, dass es "kohärente
Absorption und Reemission" von Photonen nicht gibt. Mit geeigneten Vorkehrungen kann man
heute Licht sogar fast zum Stillstand in geeigneten Medien bringen.
Das hat aber nichts mit dem Durchgang von Licht durch Glas oder Wasser zu tun.
Methode
In obigen Darstellungen ist
nur der Realteil der komplexen Amplitude
(Feldstärke) dargestellt. Was sich "hinter der
Bühne" abspielt, lässt sich am besten am
Beispiel des Wellenpakets veranschaulichen.
Wellenpaket
komplex:
Hier ist eine
3D-Veranschaulichung
der komplexen
Amplitude der
resultierenden
Welle für n = 2
und d = 2.8 (der
Realteil ist
nach rechts
hinten
abgetragen, der
Imaginärteil
nach oben).
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Oder ist die
2D-Darstellung
doch besser?
Alles nur eine
Frage der
Perspektive,...
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Oder so?
die sich im
Maple-Worksheet
natürlich
interaktiv
einstellen
lässt...
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Hier ist noch
eine Art der
Darstellung. Das
z-t-Diagramm
verschafft
Überblick:
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Realteil der
resultierenden
Welle
(Primärwelle +
Streuwelle) 3D.
Ein Bild der
Animation von
oben
entspricht einem
Schnitt parallel
zur z-Achse.
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Das Ganze von
oben: An den
hellen Punkten
sieht man die
Interferenz der
rückwärts
laufenden Wellen
mit den vorwärts
laufenden.
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Die Streuwelle
alleine...
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Die Einhüllende
der Huygensschen
Elementarwellen
läuft nur
rückwärts, wenn
die Ausbreitung
der
Elementarwellen
gestört wird.
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